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Peter-Härtling-Preis für Kinder- und Jugendliteratur der Stadt
Weinheim 1998 für Irma Krauß: Arabella oder Die
Bienenkönigin Roman
LAUDATIO von Hans-Joachim Gelberg (Auszug)
Alles Leben, so hat es ein Philosoph formuliert, alles Leben ist
Problemlösen. Wenn manche Probleme auch klein sind (darüber entscheidet oft die
Perspektive), für den zwölfjährigen Benni Wolf ist es ein großes Problem, wie er
Anschluss finden kann an die Dorfjugend von Lützelheim. Plötzlich ist er zum
Außenseiter geworden, nur weil seine Eltern aufs Land gezogen sind. Vorher, in
der Stadt, war alles bestens. Aber da ist nun dieses Mädchen, Arabella. Ob sie
ihn mag, ausgerechnet ihn? Dies könnte schon die ganze Geschichte sein, nämlich
wie Benni sich verliebt, wie er nebenher mit seinen Eltern (die dauernd was von
ihm wollen) klar kommt und wie er den Kampf mit der Dorfjugend besteht. Benni
erzählt selbst, wie alles genau so kommt und doch ganz anders geschieht.
Unversehens gelangt er, fern der Schule, in eine Schule des Lebens. Anders kann
man das nicht bezeichnen, als er das alte Ehepaar mit ihrem Bienenhaus kennen
lernt. - Was für eine gewaltige Frage, auf einmal, an den stets alles besser
wissenden Vater: "Hast du gewusst, dass du nie im Leben eine Bienenkönigin zu
sehen kriegst? Nicht mal, wenn du hundert wirst?" Bei solchen Fragen müssen auch
Väter schwer schlucken. Kurz, Benni lernt die Imkerei. Er studiert das Leben der
Bienen. Und seine Bienenkönigin im eigenen Stock nennt er heimlich
Arabella. Ich muss sagen, ich kenne kein Kinderbuch, das die heute beinahe
verschwundene Kunst der Bienenzucht so anregend lebensnah beschreibt wie dieses
Buch von Irma Krauß, die ja ihr Buch der Mutter und dem Vater, dem "Imker"
gewidmet hat. Die Imkerei ist ihr also schon in der Kindheit begegnet. Dann muss
ja auch alles kundig und wahr sein in diesem Buch! Ich habe mich trotzdem,
selbst höchst unkundig, auf die Suche nach Fehlern gemacht und mich zuvor
vertieft in "Das Leben der Bienen" von Maurice Maeterlinck, ein berühmtes Buch.
Maeterlinck schreibt darin so schöne Sätze wie folgenden: "Überdies habe ich
schon lange darauf verzichtet, etwas Interessanteres und Schöneres auf dieser
Welt zu finden als die Wahrheit oder doch wenigstens das Trachten nach ihr." Mit
anderen Worten, über das Leben der Bienen und über die Liebe zur Natur zu
schreiben bedeutet: Es muss stimmen! Die größte Gefahr beim Kinderbuch ist ja,
dass viele meinen, halb so gut ist auch noch gut.
Irma Krauß ist zu danken, wie sie uns mit Bennis Geschichte Verstand und
Gemüt bewegt - mit Bienenweisheit. Benni jedenfalls hat das Glück, in dem alten
Imker-Ehepaar sozusagen großelterliche Freunde zu finden, die wissen, was gut
und richtig ist, im Bienenleben. Und Benni lernt schnell: "Früher war mir das
Wetter egal. Ich hab auch nicht zwischen Regen und Regen unterschieden. Seit ich
aber ein Bienenvolk besitze und eine Königin, die zum Hochzeitsflug will, hat
sich das geändert." Dass Bennis "Schule des Lebens" tragisch endet, wird den
Leser bekümmern. Benni begreift es so: "In diesem Moment weiß ich, dass etwas
unwiederbringlich vorbei ist. Dass es nie, nie mehr so sein wird, wie es
war." Und dann wird Benni dreizehn. Ein neuer Frühling kommt, die Kirschbäume
haben ihre Blüten geöffnet und Benni hat eine Vision, oder könnte es schon
Wirklichkeit sein? Der Freund, der alte Imker, der alle seine Bienen durch
Brandstiftung verloren hat, fängt er auf seine alten Tage noch einmal von vorn
an? Dass Sie, liebe Frau Krauß, für diese lange Geschichte (die ja
konfliktreicher angelegt ist, als ich sie hier skizziere) einen so schönen und
auch bienenweisen Schluss gefunden haben, das hat auch die Jury glücklich
gemacht. Ihnen und Ihrem Buch gilt unser aller
Glückwunsch!
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